25 Jahre Mauerfall
25 Jahre Mauerfall
21.09.2015

"Grenzen überwinden"

Motto der Einheitsfeier wird zum Grenzfall

Bau des Grenzzauns an der ungarischen Grenze, Motto der Einheitsfeier in Frankfurt  (Bild: dpa/Montage: hessenschau.de)
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Bau des Grenzzauns an der ungarischen Grenze, Motto der Einheitsfeier in Frankfurt
Unter dem Motto "Grenzen überwinden" feiert Deutschland am 3. Oktober in Frankfurt den Tag der Deutschen Einheit. Zugleich werden in Europa neue Zäune gebaut und Grenzkontrollen eingeführt. Passt das Motto noch?
 
von Frank van Bebber

Am 3. Oktober soll in Frankfurt an große Momente europäischer Geschichte vor rund einem Vierteljahrhundert erinnert werden: die deutsche Einheit, den Fall Mauer, die Öffnung der ungarischen Grenze für DDR-Flüchtlinge, die Überwindung des Eisernen Vorhangs.

Als Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) das Motto "Grenzen überwinden" für das Einheitsfest vorstellte, ahnte er nicht, dass in diesen Tagen andere Bilder Geschichte machen: neue Grenzenkontrollen in Deutschland, der Bau eines Grenzzauns in Ungarn, verzweifelte Flüchtlinge.
 

"Traurige Ironie", "Heuchelei", "immer zynischer"

Passt da das Motto "Grenzen überwinden" noch?

Für die Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, ist der Leitspruch des im schwarz-grün regierten Hessen organisierten Einheitsfestes in Frankfurt inzwischen "traurige Ironie".

Die hessische Linken-Bundestagsabgeordnete Sabine Leidig spricht von "grenzenloser Heuchelei". Holger Michel, früher Wahlkampagnen-Leiter der hessischen Grünen, stellt ebenfalls auf Twitter mit Verweis auf die Bundesregierung fest: "#Grenzenüberwinden - 25 Jahre Einheit" - Motto jener @die_regierung, die gestern Schengen außer Kraft gesetzt hat."

Auch Frankfurter Medien ist der Widerspruch inzwischen aufgefallen. "Immer zynischer" - so beschreibt der Chefredakteur des Journal Frankfurt, Nils Bremer, den Claim zum Einheitsfest. Und hr-iNFO fragt: "Ob das Motto noch passt?"
 

"Erst Grenzen öffnen, dann Grenzen schließen"

Auch viele andere Tweets beschäftigen sich inzwischen mit dem Motto des Einheitsfestes. Der durch das Format "Jung & Naiv" bekannte Tilo Jung kommentierte das Motto gar nicht mehr. Er twitterte nur "Grenzen überwinden" in den durch andere Bilder geprägten Twitter-Nachrichtenstrom - und konnte sicher sein, dass seine Nutzer die Anspielung schon verstehen werden.

Ein Thema nur auf Twitter? Bislang. Doch der Widerspruch zwischen Motto und Wirklichkeit könnte schon bald auch andere Medien mehr beschäftigen. Den Anfang machte am Dienstag die WAZ-Mediengruppe, die das Leitmotiv von Bürgerfest und Staatsakt zum Glossen-Thema herabstufte und schrieb: "Deutschland schließt Grenzen und feiert 'Grenzen überwinden'".

WAZ-Autor Gerrit Dorn kommt zum Ergebnis: "Doch dann kamen die Flüchtlinge. Und sie sorgten dafür, dass Deutschland erst seine Grenzen für sie öffnete, was hervorragend zum Motto passte, und sie dann plötzlich wieder vor ihnen schloss, was gar nicht mehr mehr zum Motto passte."

Linke Gruppen haben angekündigt, ihren Protest gegen das aus ihrer Sicht fragwürdige Motto am 3. Oktober auch auf die Straße zu tragen. Auch sie setzen aber offenbar auf das Interesse am Motto, denn sie haben sich für den Protestaufruf die Internetadresse grenzenueberwinden.de gesichert.
 

Organisatoren wollen Flüchtlingsthema aufgreifen

Fragen, Ironie, Kritik? Die Organisatoren haben erkannt, dass die aktuelle Entwicklung beim Einheitsfest Thema sein sollte. Im Mittelpunkt stehe aber weiter die Feier von 25 Jahren deutscher Einheit, betonte Hessens Regierungssprecher Michael Bußer auf hessenschau.de-Nachfrage.

CDU-Politiker Mark Weinmeister, Staatssekretär für Bundes- und Europaangelegenheiten, unterstrich das via Twitter. Mit dem Leitsatz "Grenzen überwinden" werde man den Menschen des Jahres 89/90 gerecht. Der Sprecher der hessischen CDU, Christoph Weirich, hält das Motto ebenfalls für richtig.

Klar ist schon jetzt: Zum Festakt sind 30 Flüchtlinge eingeladen, in den Reden wird die aktuelle Lage ein Punkt sein. Und auch beim Bürgerfest soll das Thema Flüchtlinge Bußer zufolge aufgegriffen werden - "wie, das überlegen wir gerade".
 
Redaktion: suma
Bild: © dpa/Montage: hessenschau.de
Letzte Aktualisierung: 21.09.2015, 8:22 Uhr
 
 (Bild:  hr)

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